Staatshilfe für Banken: FDP versus SNB

Urs Birchler

Kürzlich hat der Leiter des Finanzstabilität bei der SNB, Bertrand Rime, in der NZZ eine glasklaren Standortbestimmung zum Too-Big-To-Fail-Problem in der Schweiz vorgenommen. Noch einiges bleibe zu tun, auch bei der Eigenmittelausstattung der Banken. Obwohl die Vorschläge moderat schienen, konnte der Präsident der WAK-NR, Ruedi Noser, nicht umhin, ebenfalls in der NZZ, zu warnen.

Die Stellungnahme ist bemerkenswert. Mit der einen Gehirnhälfte denkt Noser liberal: Der Staat soll nicht für private Risiken haften. „Die Too-big-to-fail-Regulierung bezweckt, dass eine Bank bei individuellen Fehlern auf Kosten der Geldgeber abgewickelt werden kann und nicht vom Steuerzahler gerettet werden muss. Das unterstütze ich als Liberaler zu 100%.“ In der anderen Gehirnhälfte hat er jedoch Angst vor den logischen Folgen des liberalen Denkens, d.h. vor der Notwendigkeit von Massnahmen, welche die implizite Staatsgarantie zurückdämmen. Keines seiner Argumente sticht aber:

  1. Eigenmittel verteuern Kredite. Das ist auch nach der 1001-sten Wiederholung noch nicht wahr. (Hansruedi Schöchli von der NZZ hat’s begriffen, siehe NZZ von heute, S. 27 und v.a. 36.)
  2. Regulierung führt zu Bürokratie. Das habe ich selber oft angeprangert; aber auch TBTF ist eine (versteckte) Regulierung. Und kaum etwas würde mehr Bürokratie produzieren als Nosers (rechtsstaatlich wohl kaum haltbarer) Vorschlag: „weitaus sinnvoller wäre es aber, wenn die Vorschriften zur Eigenkapitalunterlegung für jede Bank auf Grundlage ihrer Strategie und ihrer geschäftlichen Ausrichtung vom Regulator individuell festgelegt würde.“
  3. Eine global einheitliche Regulierung zwingt letztlich allen Banken weltweit dasselbe Geschäftsmodell auf. Gegenfrage: Zwingen die international geltenden Vorschriften zur Sicherheit im Flugverkehr allen Fluggesellschaften dasselbe Geschäftsmodell auf?
  4. Selbstverständlich gehen [die Banken] … Verlustrisiken ein, welche in Extremsituationen dazu führen können, dass die Bilanz einer Bank saniert werden muss. Im Extremfall braucht es dazu vielleicht sogar staatliche Mittel. Wollten wir nicht gerade das abschaffen oder eindämmen?
  5. Die Restrukturierungen der staatlich kontrollierten Axpo, BKW und Alpiq werden dem Steuerzahler weit höhere Kosten verursachen als die Rettung der UBS. Das klingt aufrichtig, scheint mir aber eher ein schwacher Trost. Zudem darf man die Kosten der UBS-Rettung nicht im nachhinein messen, sondern im Zeitpunkt der Rettung, wie Monika Bütler hier schon dargelegt hat.

Kurz: Was uns der Präsident der auf diesem Gebiet zuständigen Nationalratskommission auftischt, ist weder konsistent noch liberal.

Als die SNB den Dollar fallen liess

Urs Birchler

Am 23. Jan. 1973 beschloss die Nationalbank, den Kurs zum Dollar nicht mehr zu verteidigen (siehe den vorangegangenen Beitrag). Dazu hier noch eine die Grafik, die zeigt, wie sich diese Entscheidung auf den Wechselkurs auswirkte: Der Dollar verbilligte sich innert eines halben Jahres um maximal 25 Prozent, bevor er sich vorübergehend stabilisierte. Heute gilt er 88 Rappen.

Dollar1973

Untergrenze: Ist diesmal alles anders?

Urs Birchler

Vor lauter Aufregung über die Aufgabe der Untergrenze zum Euro durch die Nationalbank vor einer Woche ging vergessen, dass genau heute vor 42 Jahren eine andere Untergrenze fiel: Am 23. Januar 1973 stellte die Nationalbank die Stützungskäufe von US-Dollars ein. Zeit für eine Schweigeminute für das Fixkurs-System von Bretton-Woods, die Währungsordnung der Nachkriegszeit.

In einer Minute gehen Fragen durch den Kopf. Wie war es eigentlich damals? Wieviel Geld hatte die Nationalbank als Folge der Devisenkäufe schaffen müssen, bis sie aus der Wechselkursbindung ausstieg?

Die nachfolgende Grafik vergleicht die Entwicklung vor dem Ausstieg aus der Euro-Untergrenze und mit jener vor der Aufgabe der Dollarkäufe. Abgebildet ist die Entwicklung der Notenbankgeldmenge (M0), der Basis des Geldsystems, in den jeweils letzten 10 Jahren vor dem Ausstieg.

Die Grafik zeigt zwei unterschiedliche Grössenordnungen: 1973 stoppte die Nationalbank die Deviseninterventionen, nachdem die Notenbankgeldmenge auf rund 250% ihres normalen Betrags gestiegen war. Vergangene Woche bei Aufgabe der Kursgrenze lag die Notenankgeldmeng bei 900% ihres Vorkrisenniveaus.

Kursuntergrenze

Der Anstieg der Notenbankgeldmenge bis 1973 mag im nachhinein bescheiden wirken. Dennoch stiess die Inflationsrate in den folgenden Jahen in den zweistelligen Bereich vor, und ihre Bekämpfung erforderte eine schmerzhafte Rezession. Der Anstieg der Notenbankgeldmenge bis Anfang 2015 ist um ein Vielfaches stärker. Von Inflation jedoch fehlt bisher jede Spur. Aber vielleicht ist ja diesmal alles anders.

Untergrenze

Urs Birchler

WaageHeute früh auf der Waage. „Und?“, fragt meine Frau. „Na ja“, seufze ich, „stabiler als der Euro“. „Musst halt auch die Untergrenze aufgeben.“

Negativzins

Urs Birchler

Die SNB führt, wie heute morgen mitgeteilt, Negativzinsen auf die bei ihr gehalteten Girokonti der Banken ein.

Was sind Negativzinsen? Ganz praktisch: Ich borge bei der Bank eine Million, verputze 2’500 Franken und bringe den Rest nach einem Jahr zurück.

Der Unterschied zur Nationalbank: Erstens die Grössenordnung: Die SNB schuldet den Banken 324 Milliarden; davon sind das Viertelprozentchen im Jahr dann 810 Millionen. Zweitens: Die SNB verputzt dieses Geld nicht (das letzte Mal, Ende der 1970er-Jahre überwies es der Bundesrat — er erliess damals die Negativzinsen — an die Exportrisikogarantie als Rückstellung für Währungsverluste, siehe SNB 1957-82, S.141).

Das Problem: Zuviel Negativzins lässt sich niemand bieten. Auch die Banken haben eine Matratze, unter der sie Bargeld verstecken können. Viel Spielraum bleibt der SNB daher nicht. Irgendwo gibt es eine Reizschwelle, an der die Banken das Geld in Banknoten abheben. Es werden dann im Raum obere Bahnhofstrasse ziemlich viele graue Kastenwagen unterwegs sein.

Die Nationalbank hat Erfahrung mit Negativzinsen. Solche sollten schon in den 1970er Jahren, in Verbindung mit anderen Massnahmen zur Abwehr fremder Gelder, die Aufwertung des Frankens bremsen.

Gestützt auf einen dringlichen Bundesbeschluss über
den Schutz der Währung vom 8. Oktober 1971 erliess der Bundesrat u.a. eine Kommission (Negativzins) von 2% pro Quartal auf neuen Bankeinlagen von Ausländern (SNB 1957-82, S.104). Diese wurde bald aufgehoben. Doch mit Verordnung vom 20. November 1974 belegte der Bundesrat seit
Ende Oktober 1974 zugeflossene ausländische Geldern mit
einem Verzinsungsverbot und einem Negativzins von 3% pro Quartal (S. 141).

Diese Massnahmen lassen sich nicht direkt vergleichen mit Negativzinsen auf den Giroguthaben der SNB. Gleichwohl wird sich auch die SNB erinnern an ihre Feststellung: „Aufgrund der Erfahrung, dass die Nachfrage nach Schweizerfranken durch Anlageverbot, Negativzinsen und andere Massnahmen nur sehr bedingt reduziert werden kann, wurde einer zusätzlichen Frankennachfrage mit einer Erhöhung des Frankenangebots begegnet“ (SNB 1957-82, S.109). Aktenkundig ist auch die durch die Negativzinsen erhöhte Nachfrage nach Tausendernoten (S. 289).

Kurz: Von Negativzinsen ist — leider — nicht allzuviel zu erhoffen, denn es gibt hier kein „whatever it takes“.

Eine Forscherin im SNB-Direktorium

Urs Birchler

Andréa Maechler zieht (als erste Frau in 108 Jahren) ins Führungstrio der Schweizerischen Nationalbank ein. Eine Gelegenheit, unser altes gemeinsames Paper „Do Depositors Discipline Swiss Banks?“ wieder hervorzunehmen. Die Resultate (für 250 Schweizer Banken, 1987-98):

  • Unterschiede zwischen Banken erklären 75 Prozent der Volumens ungesicherter Spareinlagen;
  • Die Einleger von Regionalbanken sind überdurchschnittlich aufmerksam auf solche Unterschiede, die Einleger der Kantonalbanken unterdurchschnittlich (Staatsgarantie);
  • Die Einleger verstehen Änderungen in der Einlagensicherung durchaus.

Es gibt also einen Qualitätswettbewerb zwischen den Banken, wenn die Aufmerksamkeit der Einleger nicht durch Einlagensicherung (oder Staatsgarantie) betäubt wird. Andréa führte nachher (mit Kathleen McDill) ein ähnliche Untersuchung unter dem Titel „Dynamic Depositor Discipline in the U.S.“ (mit ähnlichen Resultaten) auch für die USA durch.

Es wäre schön, unser Paper mit den Daten seit 1998 zu aktualisieren. Ich fürchte nur, Andréa hat kaum Zeit. Trotzdem: Herzliche Gratulation!

Der Adler und das Gold der SNB

Urs Birchler

Wieviel ist etwas wert, das man nie verkaufen darf? Diese Frage stammt nicht aus der mündlichen Prüfung bei einem sadistischen Buchhaltungsprofessor, sondern sie stellt sich, falls die Goldinitiative angenommen wird.

Die Initiative verbietet der Nationalbank, Gold zu verkaufen. Die Nationalbank ist aber eine Aktiengesellschaft und muss als solche Buch führen (sie bucht gemäss Geschäftsbericht nach Swiss GAAP FER). Sie müsste also für den kraft Verfassung unverkäuflichen Goldbestand einen Wert einsetzen.

Ich habe meine Assistentin und Buchhaltungsspezialistin, Diana Festl-Pell, gefragt: Hat’s sowas schon mal gegeben. Antwort: ja (nachzulesen hier). Der amerikanische Künstler Robert Rauschenberg schuf 1959 ein Werk mit dem Titel „Canyon“, in welches er einen ausgestopften Adler integrierte. Nun verbietet „The Bald and Golden Eagle Protection Act“ den Besitz, Kauf, Verkauf, Tausch, Transport, Export oder Import dieser Adler, lebend oder tot, sowie ihrer Teile, Nester oder Eier bei Busse bis zu $10’000 und Gefängnis bis zu einem Jahr. Da der fragliche Adler bei Erlass des Gesetzes bereits tot war, kam der Künstler ungestraft davon, ebenso die Galeristin, die das Werk erworben hatte. Als sie jedoch aufgrund des Verkaufsverbots einen Wert von null in die Steuererklärung einsetzte, flatterte eine gesalzene Rechnung der Steuerbehörde (IRS) ins Haus: Aufgrund einer Einschätzung mit $69 Mio. eine Nachforderung von $29 Mio. Vermögenssteuer plus $11 Mio.$ Strafsteuer wegen zu tiefer Deklaration.

Die Unverkäuflichkeit störte den IRS nicht im geringsten. Ein Steuerbeamter regte sogar an, das Werk liesse sich ja auf dem Schwarzmarkt z.B. an einen chinesischen Investor verkaufen. Am Ende zäher Verhandlungen landete der Adler im Museum of Modern Art als Dauerleihgabe. Zu einem Gerichtsentscheid betreffend die Bewertung kam es leider nicht. Der Adler hilft also der Nationalbank nicht weiter.

In der Verzweiflung wandte ich mich an Prof. Conrad Meyer, die Schweizer Kapazität in Buchaltung schlechthin. Von unterwegs sandte er mir — ohne Gewähr — zwei spontane Ideen: Eine Variante wäre eine Bewertung gemäss FER 21, Ziffer 18 als „unveräußerliches Anlagevermögen“. Theoretisch (bei einer Liquidation der SNB) wäre das Gold wohl veräusserlich und daher nicht auf null abzuschreiben. Die andere Variante könnte sein, das Gold in der Bilanz als Anlagevermögen zu erfassen mit der Anmerkung, dass Anlagevermögen im Wert von X nicht veräusserbar ist. Die Zulässigkeit beider Varianten (und allfällige weitere Möglichkeiten) wäre aber erst noch zu prüfen.

Die Entscheidung dürfte im Zweifelsfall bei der Nationalbank, bzw. bei deren Revisionsstelle, liegen. Die Revisionsstelle entscheidet damit letztlich darüber, ob die Goldinitiative überhaupt umsetzbar ist (bei einer Bewertung zu Null wäre sie es nicht), bzw. wieviel Gold die Nationalbank überhaupt kaufen muss (bei einer Teilabschreibung viel mehr als die von der Initiative verlangten 20% der Aktiven). Die Revisionsstelle hätte es nicht leicht: Die plausiblere der beiden Varianten, die Bewertung zum Liquidationswert führt nämlich in eine ewige Schleife: Das Nationalbankgesetz sagt in Art. 32, Abs. 2:

Wird die Nationalbank liquidiert, so erhalten die Aktionärinnen und Aktionäre den Nominalwert ihrer Aktien sowie einen angemessenen Zins für den Zeitraum nach dem Inkrafttreten des Auflösungsbeschlusses ausbezahlt. Weitere Rechte am Vermögen der Nationalbank stehen ihnen nicht zu. Das übrige Vermögen geht in das Eigentum der neuen Nationalbank über.

Diese dürfte es dann wohl ihrerseits nicht verkaufen. Ein buchhaltungsphilosophischer Leckerbissen, an dem wir uns die Zähne ausbeissen könnten. Vielleicht stellen wir das Gold am besten auch ins Museum.

Goldinitiative: Der Rumpelstilzchen Effekt

Urs Birchler

Wir haben behauptet (zusammen mit einem Teil der Presse), dass die Goldinitiative eine Einladung an Spekulanten darstellt, sich auf Kosten der Schweizerinnen und Schweizer zu bereichern. Und zwar massiv.

Primäreffekt: Bei Annahme der Initiative würde die SNB gezwungen, innert fünf Jahren für 61 Mrd. Franken Gold zu kaufen. Beim heutigen Goldpreis sind das 1’600 Tonnen, bzw. 2,5 Prozent des weltweit vorhandenen Barrengoldes (des nicht-verarbeiteten Teils des Weltgoldbestandes; siehe GFMS Gold Survey 2014, S. 53). Eine Zusatznachfrage von 2,4 Prozent erhöht den Goldpreis um schätzungsweise ebenfalls 2,4 Prozent. (Genauer gesagt: es kommt auf die sogenannte Elastizität an; diese liegt beim Gold als sicherer Hafen unter eins, bei Gold als Luxusgut über eins; wir rechnen daher mit dem Mittelwert von eins). Der gesamte Goldbestand stiege daher im Wert um um 167 Mrd. Franken (gesamter Welt-Goldbestand), um 62 Mrd. Franken (nur Barrengold), bzw. um 20 Mrd. Franken (Gold bei Privatinvestoren).

Sekundäreffekt: Noch nicht eingerechnet sind die Gewinne der Goldbesitzer, die durch künftige Goldkäufe der Nationalbank entstehen, wenn diese die Kursuntergrenze zum Euro von 1.20 Franken verteidigen muss. Die Spekulation gegen die Kursuntergrenze (bei gleichzeitiger Goldspekulation) wird zunehmend attraktiv, da die Nationalbank immer teureres Gold kaufen muss. Wie der armen Müllerstochter im Märchen muss sie immer mehr anbieten, um zum geforderten Gold zu kommen. Am Ende muss sie ihr eigenes Kind aufgeben: die schweizerische Wirtschaft, die bei einer Preisgabe der Kursuntergrenze zusammenbricht.

Der Investor George Soros zwang 1992 die Bank of England in die Knie. Er spekulierte gegen das Pfund, welches innerhalb des Europäischen Wechselkurssystems EWS (einem gescheiterten Vorläufer des Euro) mit anderen europäischen Währungen durch feste Kurse verbunden war. Das britische Schatzamt borgte 15 Mrd. Pfund zur Verteidigung des Pfundes. Soros hielt mit 10 Mrd. Leerverkäufen dagegen und erreichte am Ende eine Abwertung um 15 Prozent. Netto blieb ihm ein Gewinn von 1,3 Mrd. Pfund.

Der gesamte Gewinn aus der Goldinitiative für Privatinvestoren liegt, wie oben erwähnt, schon nur aufgrund des Primäreffekts, um ein Vielfaches höher. Wetten, dass Investoren Geld für Abstimmungspropaganda stiften? Darüber bald mehr bei batz.ch.

Goldenes Eigentor

Urs Birchler

Die Presse (zum Beispiel TA) berichtet dieser Tage, dass die Goldinitiative im Falle einer Annahme eine Spekulationschance auf dem Silber-, bzw. Goldtablett, serviert. Tatsächlich würde die Nationalbank zu automatischen Goldkäufen gezwungen. Wie gefährlich dies ist, illustriert ein Beispiel aus der Vergangenheit: Die Eidgenossenschaft stand wegen einer unbedacht eingegangenen Goldkauf-Pflicht 1991 am Rande des Bankrotts. Und das kam so.

250_CHF_1991

Der Bund wollte sich zu seinem 700-Jahr-Jubiläum ein Geschenk machen und kam auf die Idee einer Gedenkmünze in Gold. Damit es ein richtiges Geschenk würde, beschloss er, den Nennwert auf 250 Franken festzusetzen, aber nur Gold für rund 140 Franken in die Münze zu packen — Differenz zugunsten der Staatkasse. Um die Nachfrage trotz dieser unterwertigen Prägung sicherzustellen, erklärte der Bund die Münze zum gesetzlichen Zahlungsmittel. Dadurch wurde die Münze aber fast wieder zu attraktiv. Damit die Münzstätte planen konnte, musste man die Münze daher schon zwei Jahre im voraus bestellen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Bund, alle Vorbestellungen auch tatsächlich zu honorieren.

Und damit hatte er sich selber schachmatt gesetzt. Es war ganz einfach: Wer für 250 Franken eine Münze bestellte, bekam im schlimmsten Fall ein gesetzliches Zahlungsmittel im Wert von 250 Franken. Sollte der Goldpreis aber vom Bestelldatum im April 1988 bis zur Auslieferung im Jubeljahr 1991 kräftig steigen, lag ein schöner Gewinn drin. Für den Besteller also eine risikolose Gewinnchance.

Noch schlimmer: Je höher die Bestellmenge, desto stärker würde der Goldpreis steigen und desto grösser der Gewinn für die Besteller. Die Spekulation war nicht nur risikolos, sondern auch noch selbsterfüllend: Hätten alle Marktteilnehmer ihren Gewinn zu maximieren versucht, hätte die Bestellmenge den Welt-Goldbestand überstiegen. Der Bund wäre angesichts des steigenden Goldpreises schon bei einer kleineren Menge bankrott gewesen.

Dass sich die Banken beim Bestellen edel zurückhielten, spricht für sie. Gleichwohl annullierte der Bund wenig vertragstreu die Bestellrunde mit dem Argument, sie sei „spekulativ missbraucht“ worden. Die Münze wurde ein zweites Mal ausgeschrieben; diesmal aber nur in einem teuren „Luxusetui“ aus billigem Plastic. Der Erfolg bieb deshalb mässig. Und das Etui hinterliess, sozusagen an als Erinnerung an den Vertragsbruch, auf der Münzoberfläche hässliche braune Spuren.

Trotz der dunklen Flecken kam der Bund nochmals heil davon.
Die Dummheit einer erneuten Goldverpflichtung durch Annahme der Goldinitiative könnten wir uns aber eigentlich ersparen.

[Eine detailliertere Darstellung der Münzausgabe von 1991 samt einer optionstheoretischen Bewertung findet man in meinem Beitrag in Wirtschaft und Recht von 1989. Hier zum Download]

Bankensanierung: EU übernimmt Schweizer Recht

Urs Birchler

Wie die Presse berichtet, haben sich die EU-Finanzminister auf ein „bail-in“-System der Bankenabwicklung geeinigt: Bei der Sanierung einer maroden Bank sollen zuerst die Aktionäre, dann die unversicherten Gläubiger (und erst zuallerletzt die Steuerzahler) die Verluste tragen. Die versicherten Einlagen hingegen sind garantiert.

Damit übernimmt die EU eine Systemarchitektur, die in der Schweiz im Kern seit 2003 in Kraft ist und im Zuge der Finanzkrise noch präzisiert wurde. Wer weiss, wird die EU früher oder später auch das schweizerische Konkursprivileg für versicherte Bankeinlagen übernehmen, da ohne dieses die Versicherung viel zu riskant ist.

Gute Nachricht also für Europa (und schlechte Nachricht für Bankaktionäre und -Gläubiger in einigen Ländern). Allerdings: Die Blaupause muss erst noch in Kraft treten und national umgesetzt werden. Und bei der Umsetzung muss die Architektur nicht nur im Grossen stimmen, sondern auch in den Details. Beispielsweise muss verhindert werden, dass Banken die Schulden, die für den Bail-in vorgesehen sind, nicht einfach durch Pfand sicheren, wodurch das Konzept unterlaufen würde.

Gute Nachricht auch für jene Kritiker, die meinen, die Ökonomen seien bestenfalls unnütz: Das Konzept des Bail-in wurde entwickelt von Ökonomen wie Oliver Hart oder Lucian Bebchuck und später unterstützt von den Mitgliedern der Squam Lake Group.

Dazu noch eine Reminiszenz: In den späten 1990er Jahren organisierte ich ein gemeinsames SNB/EBK(FINMA)-Seminar zur Insolvenzbehebung mit Oliver Hart. Seine Vorschläge stiessen (ausser bei militanten Ökonomen) auf solide Skepsis: „Man kann doch eine insolvente Bank gar nicht sanieren!“ Man kann, und im Bankengesetz Version 2003 war das Konzept schüchtern umgesetzt. Stolz schrieb ich an Oliver Hart: „We did it!“ Doch liess ihn dies völlig kalt; er war längst zu neuen intellektuellen Ufern aufgebrochen.

So ist es mit dem Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis: Die Praxis-Nachhut hinkt irgendwo hinterher, die Theorie-Vorhut ist bereits fast ausser Hörweite voraus, und der weltverbessernde Brückenbauer steht dumm dazwischen. Bis dann Jahre und Jahrzehnt später plötzlich alles aussieht, als wär’s schon immer klar gewesen.