Bedroht Plattformarbeit den Arbeitsmarkt?

Rafael Lalive

Vor 11 Jahren wurde das erste Smartphone an eine grosse Zahl von Menschen verkauft. Seitdem wird die Arbeit neu erfunden. Das Internet, das Smartphone und die Möglichkeit, grosse Datenmengen zu analysieren, erlauben es den Tausch von Arbeit und Dienstleistungen neu zu organisieren und, vor allem, zu flexibilisieren.

Wer heute eine Arbeit sucht, muss seinen Lebenslauf nicht mehr an eine grosse Zahl von Unternehmen senden, und hoffen, dass sie oder er irgendwann oben auf dem Stapel der Bewerbungen landet. Viel zeitgemässer ist es, sich auf einer Plattform als Anbieter einer Dienstleistung zu registrieren. Ein Mausklick reicht und schon wird die Arbeitssuche zur Konsumentensuche.

Plattformen haben viele Namen, (z.B. Upwork oder Taskrabbit), aber alle gibt es nur aus einem Grund. Dank Digitalisierung können Kunden auf einer Plattform nun sofort eine Dienstleistung finden. Anbieter dieser Dienstleistungen können so sehr schnell und sicher mit einem neuen Kunden bekannt werden. Die Qualität der Leistung wird über Bewertungssysteme sichergestellt.

Plattformen schaffen Arbeit

Plattformen schaffen Arbeit. Früher war es schlecht möglich, sich als Hundesitter ein ausreichendes Einkommen zu verdienen, weil einem eventuell nur die Hunde der Nachbarn bekannt waren. Heute registriert sich ein Hundesitter bei einer Plattform und wird instantan für die Hundebesitzer seiner ganzen Umgebung sichtbar. So lässt sich heute ein Auskommen als Hundesitter verdienen, wo dies früher schlecht möglich war.

Plattformen schaffen Arbeit weil sie die Kosten einer Transaktion – eines Tausches von Dienstleistungen oder Arbeit – stark senken. Früher war dies die Aufgabe von Unternehmen. Innerhalb eines Unternehmens konnten viele Arten von Arbeit gebündelt und getauscht werden, ohne dass man die jeweiligen Anbieter hätte suchen und einen neuen Tauschvertrag schreiben müssen. Einige Unternehmen, vor allem die, deren Geschäftsmodell das Senken von Transaktionskosten ist, wie z.B. Reisebüros für Reisen nach Deutschland, werden kleiner werden und evtl. ganz verschwinden.

In der Schweiz bestehen noch keine gesicherten Statistiken bezüglich der Grösse der Plattformarbeit. Der Bericht des Bundesrates zu den Auswirkungen der Digitalisierung vom 8. November 2017 weist eine Kategorie der Selbstständigen, die für mehrere Arbeitgeber arbeiten, aus. In der Schweiz ist der Anteil dieser Selbstständigen bei rund 5 Prozent, was wenig ist, aber er ist um etwas mehr als einen Prozentpunkt gestiegen in den letzten Zehn Jahren. Plattformarbeit ist also noch ein Randphänomen.

Verdrängt Plattformarbeit bestehende Arbeitsplätze? Zu dieser Frage bestehen noch keine mir bekannten Untersuchungen für die Schweiz. Eine Reihe von Arbeiten untersuchen diese Frage für den Ridesharing-Markt, d.h. den Markt für Mitfahrdienste in den USA. Die meisten Anbieter von Mitfahr- oder Taxidiensten üben diese Tätigkeit als Zweittätigkeit aus. Die Fahrer sind nicht Umsteiger von normalen Taxidiensten. Diese Arbeit wird also zur Aufbesserung des Einkommens in Randstunden ausgeführt.

Flexible Sozialversicherungen sichern besser gegen Risiken ab

Eine wichtige Frage gilt der Absicherung der Fahrer. Ein Haushalt ist überhaupt nicht abgesichert, wenn seine Ausgaben gleich schwanken wie sein Hauptverdienst. Eine Studie von Dimitri Koustas, von der University of Chicago, vom 11. Januar 2018 zeigt auf, dass Fahrer, welche auf einer Plattform im Zweitverdienst beschäftigt sind, deutlich besser versichert sind gegen Einkommenschwankungen als Fahrer, die nicht auf einer Plattform aktiv sind. Die Ausgaben von Fahrern mit Zweitverdienst schwanken praktisch nicht mit dem Haupteinkommen, da sie über die Nebentätikeit kompensieren können, d.h. mehr fahren können.

Die Herausforderung in der Schweiz besteht im Bereich Sozialversicherungen. Selbstständige sind oft weniger gut abgesichert gegen Unfall und Armut im Alter. Selbständige können ihre Abdeckung frei wählen im Rahmen des Gesetzes. Angestellte haben diese Wahlmöglichkeiten nicht. Sie werden zu den vom Gesetzgeber festgelegten Ausmass durch den Arbeitgeber versichert. Der Grad der Absicherung ist also klar daran gekoppelt, ob jemand selbstständig oder angestellt tätig ist.

Ausreichende Absicherung ist ein wichtiges Ziel, auch für Anbieter von Plattformen. Diese möchten ihren Mitgliedern z.B. auch Versicherungen gegen gewisse soziale Risiken zu günstigeren Konditionen anbieten, als das ein Soloselbststädiger könnte. In der Schweiz werden solche Angebote durch den engen Gesetzesrahmen sehr stark beschränkt, oder gar verunmöglicht, da diese für Selbstständige nicht vorgesehen sind. In der Schweiz sind Arbeitsform und Grad der Versicherung strikt gekoppelt.

Der Bedarf nach Absicherung ist jedoch gerade da gross, wo flexibel gearbeitet wird. Die Einkommen von selbständig Erwerbstätigen schwanken und ein unversicherter Erwerbsausfall kann gravierende Folgen haben. Umgekehrt sind Angestellte vielleicht weniger auf volle Absicherung angewiesen, da ihre Arbeitsform sie schon sehr gut gegen Einkommensrisiken absichert.

Wir können Arbeitsform und Sozialversicherung entkoppeln. Ob wir angestellt sind, oder uns selbstständig ernähren, ist primär getrieben durch den Bedarf nach Flexibilität. Ob wir uns voll oder weniger absichern gegen Risiken hängt ab vom Bedarf nach Absicherung. Eine flexible Sozialversicherungen kann uns sowohl besser gegen Risiken absichern als auch dem flexiblen Arbeitsmarkt gerecht werden.

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