Vollgeld: eine Schlangenfangerei

Urs Birchler

Auf die bevorstehende Abstimmung vom 10. Juni hin, hier eine aktuelle Version des von Jean-Charles Rochet und mir verfassten Vollgeld-Leifaden. Der Leifaden ist neutral geschrieben und versucht, den Argumenten sowohl der Befürworter als auch der Gegner gerecht zu werden.

Die teilweise völlig verdrehten Argumente der Initianten in der öffentlichen Diskussion (kürzlich war ich mit Kathrin Bertschy (GLP) und Raffael Wüthrich (VGI) am Radio, nachzuhören im Kontext) erfordern hier aber auch einmal Gegensteuer.

Ich sag’s daher frei heraus: „Vollgeld“, so wie es die VGI vorschlägt, ist ein Etikettenschwindel. Und der geht so:

  1. Die VGI fordert, dass Einlagen des Publikums bei den Banken zu 100 Prozent, d.h. „voll“, durch Guthaben dieser Banken bei der Nationalbank gedeckt sind,
  2. Die VGI fordert gleichzeitig, dass die SNB neugeschaffenes Geld an Bund und Kantone oder Bürgerinnen und Bürger verschenkt. Den Banknoten und den Guthaben der Banken bei der SNB steht dann also in letzter Konsequenz kein Gegenwert mehr gegenüber, sie würden dann zu „Leergeld“ (meine Terminologie), dessen Wert nicht mehr durch ein SNB-Vermögen gestützt wird.

Die VGI würde also dazu führen, dass unser Geld „Vollgeld“ heisst, aber voll nur noch durch Leergeld gedeckt ist.

10 thoughts on “Vollgeld: eine Schlangenfangerei

  1. Inwiefern wird durch die Initiative die Deckung des Geldes verlorengehen, so dass wir beim “Leergeld” landen?

  2. Sehr geehrter Herr Birchler,
    leider wird ihr Leitfaden entgegen der Ankündigung nicht den Argumenten der Initianten der Vollgeld-Initiative gerecht. Ich möchte hier einen Punkt hervorheben. Das Initiativkomitee hat immer dargelegt, dass die schuldfreie Inumlaufbringung von neuem Geld nur eine neue Möglichkeit für die SNB ist, die bisherigen Möglichkeiten (Darlehen an Banken, Kauf von Devisen, Wertpapieren und anderen Anlagegütern) bleiben bestehen.
    Sie behaupten aber, die Vollgeld-Initiative sehe nur die schuldfreie Inumlaufbringung vor und verbiete sogar den Kauf von Währungsreserven. Sie stellen dies als eine Tatsache hin, ohne eine juristische Begründung dafür zu liefern. Auch wenn Sie dieser Ansicht sind, so wäre es im Leitfaden doch angemessen, zumindest auf den völlig gegensätzlichen Standpunkt des Initiativkomitees hinzuweisen.

    Im folgendem Text habe ich noch einmal die juristischen Argumente zusammengetragen, warum die SNB mit Vollgeld flexibel bleibt:
    http://www.dasliebegeld.ch/2018/05/die-lugen-der-vollgeld-gegner.html

    Letztlich besteht kein Problem: Alle wollen, dass die SNB in Ihrer Geldpolitik flexibel ist, das Initiativkomitee, die SNB, der Bundesrat und alle Parteien im Nationalrat. Also könnte man sich in Einigkeit die Hände schütteln. Nach der Annahme der Vollgeld-Initiative wird das auch geschehen, denn warum sollte der Nationalrat dann etwas beschliessen, was gar keinen will auch wozu er auch nicht eindeutig gezwungen ist?

  3. Sehr geehrter Herr Mayer
    der Initiativtext zählt abschliessend auf, wie die SNB Geld in Umlauf bringen darf. Die bisherigen Möglichkeiten sind nicht darunter. Also wären sie bei Annahme der Initiative — juristisch glasklar — ausgeschlossen. Indem Sie dies bestreiten, geben Sie zu, dass die Initiative, so wie sie zur Abstimmung steht, nicht umsetzbar ist.
    Urs Birchler

  4. Herr Bichler, Ihr erster Kommentar betr. Schlangenfängerei ist lachhaft. Sie können oder wollen den Inhalt der VGI einfach nicht verstehen. Wenn Sie schon der Meinung sind, etwas zur Ablehnung beitragen zu müssen, dann sollten Sie bessere Argumente ins Feld führen. Tatsache ist, dass die VGI mehr Vorteile als Nachteile hat. Die Vorteile sind alle im neuen VGI-Flyer schön aufgeführt. Lesen Sie diesen langsam durch, damit Sie auch jedes Wort verstehen. Dann können Sie wieder einen Kommentar starten (und dann hoffentlich einen besseren).
    Herr Thomas Mayer wird Ihnen sicher sämtliche noch offene Fragen beantworten können.

  5. Die Vollgeld-Initianten gegen davon aus, dass bei Annahme der Initiative alle Akteure sich so verhalten, wie sie sich bisher verhalten haben. Das ist nicht nur naive, das ist schon echt dumm. Die Banken werden den Kunden einen Strauss von Optionen anbieten, aus dem sie auswählen können. z.B. zusätzliche Spesen von ca. 50 Rappen pro Zahlungsauftrag. Oder Bezahlung über einen Kontokorrentkredit, der durch ein verpfändetes Spargeldkonto oder ein Depot gedeckt ist. Oder die Bezahlung über eine Filiale oder Tochtergesellschaft im Ausland. Und natürlich haben auch die Zahlungspflichtigen und die Zahlungsempfänger eine reiche Auswahl an Möglichkeiten, um die Folgen der VGI ins Gegenteil zu drehen. Oder wie es Rudolf Strahm, nicht grad ein strammer Kapitalist, in seiner Tagesanzeiger-Kolumne schreibt: „Sofort würde das Umgehungsbusiness zu einem Geschäftsmodell“.
    Sicher habe ich die Initiative falsch verstanden. Das sagen auch die nichtmonetären Sektierer über die Ungläubigen.

  6. Der Flyer habe ich gelesen und für gut empfunden (für den normal Schweizer). Da ich nicht Finanzminister bin bitte ich um mehr Klarheit für Gegenargumenten. Bin wahrscheinlich nicht der Einzige der nicht was stimmen weist.

  7. Vollgeld-Initiative JA: SNB soll Geldschöpfung auf reales Wachstum beschränken.

    An der Vollgeld-Initiative wird kritisiert, dass nicht klar sei, wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) sinnvoll entscheiden könne, um wie viel die Geldmenge in einer bestimmten Periode zunehmen soll. In der Geldmengentheorie war lange klar, dass inflationsfreies Wachstum langfristig nur mit einer Geldmengenerweiterung gemäss dem realen Wachstum einer Volkswirtschaft möglich ist. Die Geldversorgung der Schweiz liegt seit Jahren über diesem Zielwert (ca. 2%). Die Inflation ist erst auf dem Immobilien- und Aktienmarkt spürbar. Wann wird sie auf die Gütermärkte und die Konsumenten durchschlagen?
    Mit einer Vollgeldreform erlangt die Schweizerische Nationalbank wieder die Kontrolle über die gesamte Geldmenge und kann damit Blasenbildungen, Inflation und überbordendes Wachstum direkt verhindern.

  8. Sehr geehrter Herr Birchler,
    ich habe in meinem obigen Kommentar ein Link zu einem Text gemacht, wo ausführlich juristisch dargelegt wird, warum die Aufzählung der Geldschöpfungsmöglichkeiten im Initiativtext nicht abschliessend ist.
    Leider sind Sie auf die Argumente nicht eingegangen, sondern behaupten einfach nachwievor dasselbe. Schade.
    Auch wenn Sie nicht der Ansicht des Initiativkomitees folgen können, was im Initiativtext steht, so könnten Sie doch zumindest anerkennen, dass man das so vertreten kann. Damit hätte auch das Parlament die Möglichkeit im Nationalbankgesetz die bisherige Flexibiliät beizubehalten.

  9. Der geplante Art. 99a Abs. 3 BV ist redaktionell von vornherein verunglückt. Heute überantwortet Art. 99 BV der SNB die Geldpolitik, ohne Vorgaben über die geldpolitischen Instrumente zu machen. Entsprechend frei war das Parlament bei der Ausarbeitung des NBG und insb. dessen Art. 9.
    Nun sollen auf Verfassungsebene zwei Instrumente festgeschrieben werden.
    Das ist nachvollziehbar in Bezug auf das Helikoptergeld an Bund, Kantone und Haushalte. Denn dieses Instrument muss künftig zwingend zum Einsatz kommen („bringt … schuldfrei in Umlauf“) – ein monetäres Novum, das per Initiative kaum anders durchgesetzt werden kann.
    Es ist aber unsinnig in Bezug auf die kann-Vorschrift über die Refinanzierung der Geschäftsbanken.
    Denn so entsteht unweigerlich der Eindruck eines qualifizierten Schweigens, in dem Sinne, dass andere Instrumente bewusst nicht genannt und damit künftig ausgeschlossen werden. Dies umso mehr, als sich die Bankrefinanzierung schon aus dem letzten Auftrag in Abs. 1 ergibt und folglich die explizite Erwähnung in Abs. 3 nicht erforderlich war.
    Dem Anschein eines qualifizierten Schweigens hätte mit einem simplen „namentlich“ oder einem anderen Hinweis auf den nicht abschließenden Charakter der Aufzählung in Abs. 3 vorgebeugt werden können. Warum ist dies unterbleiben? Die Präzisierung der Initianten in Flyern und im Netz mag ja ernsthaft sein – sie bindet indes niemanden und schafft das redaktionelle Versäumnis nicht aus der Welt.

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