Das Ende der Banken: Replik

Urs Birchler

Auf meinen gestrigen Beitrag zu Das Ende der Banken habe ich einen längeren Kommentar der Autoren bekommen, der es verdient, hier anstatt nur versteckt als Kommentar, publiziert zu werden. Ich möchte aber die Kontroverse nicht hier und jetzt weiterführen, in der Annahme, es gäbe dazu künftig noch Gelegenheit.

Sehr geehrter Herr Birchler,

Wir freuen uns sehr, dass Sie «Das Ende der Banken» gelesen und unsere Argumentation als geradlinig und überzeugend empfunden haben. Gerne nehmen wir den Ball auf und stellen uns Ihren Kritikpunkten.

Uns lag in der Tat viel daran, unseren Standpunkt so präzise und klar wie möglich darzulegen. Und wir sind froh, dass Sie unser Bestreben hier erkennen. Deshalb waren wir auch etwas irritiert, dass unsere Vorschläge mit «Kastration» oder gar Totschlag bezeichnet werden. Im Grunde ist unser Buch ja lediglich eine nüchterne ökonomische Analyse mit dem folgenden Kern:

Das Bankenwesen hat uns im Industriezeitalter gute Dienste geleistet. Es überbrückte die divergierenden Interessen von Schuldnern und Gläubigern und war damit unerlässlich für ein florierendes Kreditwesen. Aber das Bankenwesen war schon immer fragil (Stichwort: bank run). Nur dank einem ausgeklügelten System von Zentralbanken, Einlagesicherungen, Staatsgarantien und Bankenregulierungen konnten die systemischen Risiken im Griff gehalten werden.

Die digitale Revolution hat dieses System dann untergraben. Die Bankenregulierung erwies sich ab den 1970er Jahren zunehmend als zahnlos. Ausserhalb des Sichtfelds vom Regulator konnte in den vergangenen Jahrzehnten das digitalisierte Bankenwesen unkontrolliert Geld und Kredit schöpfen – mit verheerenden Folgen.

Wir sind überzeugt:
Die systemischen Risiken des Bankenwesens können im digitalen Zeitalter nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden. Der Regulierungsansatz aus dem industriellen Zeitalter funktioniert nicht mehr.

Wir sind aber auch überzeugt:
Die digitale Revolution ermöglicht neue Wege, die divergierenden Interessen von Schuldnern und Gläubigern zu überbrücken. Diese neuen Möglichkeiten sind dezentral, transparent und funktionieren ohne das Bankenwesen.

Die Schlussfolgerung aus all dem ist klar:
Wir haben die Kontrolle über das Bankenwesen verloren, benötigen es jedoch auch nicht mehr. Es ist deshalb an der Zeit, den bisherigen Regulierungsansatz fundamental zu überdenken.

Hier geht es weder um «Kastration», noch wollen wir etwas «umbringen», wie Sie etwas pointiert in Ihrem Beitrag festhalten. Nein, als liberale Ökonomen glauben wir vielmehr, dass transparente und faire Märkte eine positive Kraft für unsere Gesellschaft sind. Jedem freiheitlich denkenden Menschen ist zum Heulen zumute, wenn er oder sie das aktuelle Finanzwesen mit den gewaltigen Risk- und Compliance-Abteilungen und gleichzeitig boomender «regulatory arbitrage» sieht.

Im Kern geht es in «Das Ende der Banken» also darum, dass freiheitliche und marktorientierte Regeln auch wieder für das Finanzsystem gelten können. All unsere Vorschläge sind an diesen liberalen Prinzipien ausgerichtet – und ja, das ist im Kontext der aktuellen Debatte um das Bankenwesen in der Tat «knüppeldick».

Nun sind wir natürlich sehr gespannt auf Gegenargumente, welche wir nicht berücksichtigt haben. Wir haben redlich versucht, alle wichtigen Einwände bereits im Buch vorwegzunehmen und zu diskutieren – an dieser Stelle sei auf den ganzen Abschnitt der Besprechung von Professor Tobias Straumann hingewiesen, aus dem Sie den letzten Nebensatz zitiert haben:

«Die Autoren verzichten auf eine Diskussion über die Realisierbarkeit ihres Vorschlags. Ihr einziger Anspruch ist es, zu zeigen, dass ein Finanzsystem ohne Banken «sowohl erstrebenswert als auch möglich» sei. Dies ist ihnen vorzüglich gelungen, auch wenn ihre Idee kaum auf ungeteilte Zustimmung stossen wird.»

Wir sehen ein, dass unsere Kritik an der derzeitigen Finanzarchitektur nicht auf ungeteilte Zustimmung stösst. Doch das Problem an der Wurzel zu packen scheint uns immer noch besser, als Tausende weitere Seiten an Bankenregulierungen zu erarbeiten, zu analysieren und zu implementieren. Denn – da sind wir uns sicher – diese Sisyphusarbeit wird uns nicht vor der nächsten Krise bewahren.

Mit freundlichen Grüssen,
Jonathan McMillan

P.S: Der «Staubsauger» ist die Liquiditätsprämie, und unsere Definition von Eigenmittel und Finanzanlagen sind in den elementaren Buchhaltungstechniken begründet. Falls diese Definitionen nicht halten würden, wären auch die Konzepte der beschränkten Haftung und der juristischen Personen nicht mehr haltbar.

3 thoughts on “Das Ende der Banken: Replik

  1. Sehr geehrter Herr Birchler, sehr geehrter Herr McMillan, sehr geehrter Herr Müller,

    hinsichtlich der (r)evolutionären Weiterentwicklung unseres Geldsystems hatte ich 2013 einen sehr ähnlichen Vorschlag im Herdentrieb der Wochenzeitung DIE ZEIT gemacht: http://blog.zeit.de/herdentrieb/2013/10/07/der-deutsche-konjunkturmotor-stottert-zeit-die-pro-zyklische-finanzpolitik-zu-beenden_6605?sort=asc&comments_page=31#comment-102732. Dort gehe ich auch auf Kritik ein.

    Eine tiefer gehende systemische Begründung für diese Art der Finanzierung findet sich hier: https://zinsfehler.com/2015/03/23/die-citoyage-keynesianischer-monetarismus-als-ordnungspolitisches-korrektiv/

    Alle weiteren Vorzüge, die ich erkennen kann, sind hier beschrieben: https://zinsfehler.com/2016/09/25/ein-geldpolitisches-manifest-fuer-europa/.

    Eine Abschaffung des Bargelds halte ich allerdings aus freiheitlich-demokratischen Gründen für mehr als problematisch; auch dann, wenn es gute technische Überlegungen gibt für die Umsetzung negativer Zinsen/Umlaufgebühr. Jeder überzeugte Liberale müsste hier aber eigentlich opponieren. Die Vorzüge des Bargelds wurden auf dem Bargeldsymposium der Bundesbank klar herausgearbeitet: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Termine/2018/2018_02_14_bargeldsymposium.html

    Mit freundlichen Grüßen
    Michael Stöcker

  2. Sehr geehrter Herr Stöcker,

    Vielen Dank für Ihren Beitrag zur Debatte. Zur Abschaffung des Bargeldes erlauben Sie mir noch zwei Anmerkungen:

    -Viele Argumente gegen digitales Bargeld ziehen nur in einem Bankensystem. Herr Weidmann hat recht dass digitales Bargeld in einem Bankensystem destabilisierend wirken kann, da ein „Bank run“ mit viel weniger Aufwand verbunden ist. In einem Finanzsystem ohne Banken fallen diese Argumente aber weg.

    -Digitales Bargeld heisst gerade nicht Zentralbankkonten für alle. Private Finanzdienstleister können immer noch zwischen Zentralbank und Endkunde stehen. Private Finanzdienstleister können selbst physisches Bargeld emittieren welches zu hundert Prozent durch digitales Bargeld gedeckt ist und somit denselben Grad an Transaktionsanonymität erlaubt wie das heutige Bargeld.

    Transaktionsanonymität ist somit auch ohne staatlich emittiertes, physisches Bargeld, problemlos möglich. Wie die Güterabwägung zwischen Kriminalitätsbekämpfung und Privatsphäre letztendlich gehandhabt wird ist eine separate politische Diskussion.

    Freundliche Grüsse,

    Jonathan McMillan

  3. Sehr geehrter Herr McMillan,

    vielen Dank für Ihre Antwort. Ich stimme mit Ihnen überein, dass bei einer Systemumstellung ein „Bank run“ keine Rolle mehr spielen wird/kann. Aber physisches Bargeld muss mAn auch zukünftig einheitlich wie bisher von der Zentralbank kommen. Der Bürger wäre völlig verwirrt und überfordert, wenn jeder Finanzdienstleister sein eigenes physisches Bargeld ausgeben würde. Und der technische Aufwand für Automaten wäre um ein vielfaches größer. Damit würde es de facto zu einem Bargeldverbot kommen.

    Freundliche Grüße
    Michael Stöcker

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