BVG Vermögen und Vermögensverteilung

Monika Bütler

Die sehr ungleiche Vermögensverteilung der Schweiz beschäftigt das Land. Insbesondere erhoffen sich die Befürworter der Erbschaftssteuerinitiative eine Milderung der Ungleichheit. Die Gegner der Vorlage argumentieren hingegen, dass die Vermögensverteilung wenig Aussagekraft hat, aus verschiedenen Gründen. Einer davon ist, dass die gemessene Vermögensverteilung die Guthaben der beruflichen Vorsorge nicht erfasst.

Es gibt leider kaum Daten, die sowohl die regulären Vermögen (inklusive Immobilien!) wie auch die BVG Vermögen ausweisen. Ganz ohne empirische Evidenz müssen wir allerdings nicht auskommen: SHARE, der Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe enthält Informationen zu Pensionskassenvermögen, Renten, sonstigen Haushaltvermögen (und vielem mehr). Es handelt sich dabei um ein EU finanziertes Grossprojekt in verschiedenen europäischen Staaten, welches die Lebenssituation der über 50 jährigen erfasst. In der Schweiz wurden die Daten (in vier Umfragewellen) vom Bundesamt für Statistik erhoben. Wir haben die Daten für wissenschaftliche Untersuchungen verwendet.

Ich habe mir die rund 3000 Datenpunkte von Personen über 65 Jahre nochmals angeschaut. Für rund 60% dieser Personen sind Informationen zu Renten- oder Kapitalbezug vorhanden. Diese Informationen erlauben die Berechnung des BVG Vermögens. Weshalb die anderen kein BVG Kapital ausweisen, ist nicht bekannt: Einige davon dürften nie einer Pensionskasse angehört haben, weil sie selbstständig oder nicht erwerbstätig waren, andere haben eventuell den Barbezug des BVG Kapitals in der Umfrage nicht angegeben. Ärmer sind diese 40% allerdings nicht, die Vermögen sind in beiden Gruppen sehr ähnlich verteilt.

Überraschenderweise gibt es keine statistische Korrelation zwischen regulärem Vermögen und Pensionskassenvermögen: Es gibt viele Personen mit grossem Vermögen ohne BVG Vermögen, und viele mit viel Geld in der Pensionskasse aber ohne reguläres Vermögen. Die untenstehende Graphik mit dem regulären Vermögen auf der horizontalen Achse und dem Pensionsvermögen auf der vertikalen Achse zeigt dies schön: Eine Wolke von Datenpunkten ohne eigentliche Struktur. Die rote Linie zeigt dabei die statistische Trendlinie: Eine Linie ohne Trend, die durchschnittlichen BVG Vermögen sind in allen regulären Vermögensklassen ungefähr gleich hoch.

BVGKapital

Die Beschränkung auf Personen über 65 hat natürlich ihre Tücken. Allerdings wissen wir aus den Steuerdaten, dass die älteren im Durchschnitt auch vermögender sind und gleichzeitig aus logischen Gründen auch höhere BVG Vermögen ausweisen. Ein grosser Teil der (ungleichen) Vermögensverteilung wird daher auch von den Vermögen der Älteren erklärt.

Fazit: Bei aller Vorsicht bei der Interpretation der Graphik: Der einigermassen repräsentative SHARE Datensatz liefert keine Hinweise dafür, dass vermögende Personen auch viel mehr Pensionskassenvermögen ausweisen. Der Einschluss der Pensionskassenvermögen dürfte die Vermögensverteilung daher deutlich „gleicher“ machen.

 

One thought on “BVG Vermögen und Vermögensverteilung

  1. Ihr Beitrag zeigt, dass die Steuerstatistik ohne PK-Guthaben nicht die wahre Vermögensverteilung darstellt.

    Ein anderes Indiz für die Unzulänglichkeit der Statistik ist die Diskrepanz zwischen einer im internationalen und historischen Vergleich gleichmässigen Einkommensverteilung und einer ungleichen Vermögensverteilung. Ohne statistische Lücke ist diese kaum zu erklären. Allenfalls wirkt bei Tiefstzinsen ein Bewertungseffekt verzerrend.

    In bezug auf die Erbschaftssteuer gehören auch die folgenden Argumentationsfehler beleuchtet:

    Dass die Hälfte der Steuerpflichtigen über kein ungeschütztes (Netto-)Vermögen verfügt (d.h. ausserhalb PK und AHV), hat systemimmanente Gründe. Daraus die Notwendigkeit einer Korrektur abzuleiten, ist deshalb ein Zirkelschluss. Für die „untere Hälfte“ lohnt sich ein Vermögensaufbau nicht, da dieses im Alter durch entfallende Stützungen (z.B. EL) dem Verzehr anheimfällt. Diese perverse Anreizstruktur schafft eine prononcierte Schwelle, analog Ihrer Forschung zur Situation von Familien mit Kindern.

    Ferner ist es unlogisch, eine ungleiche Vermögensverteilung durch diese Steuer verbessern zu wollen, welche den Vermögensaufbau für alle erschwert. Eine quantitative Betrachtung wird zudem zeigen, dass die Anreizschwelle zum Sparen steigen wird, was die Vermögenskonzentration auf noch weniger Personen konzentriert.

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