Bedingungsloses Grundeinkommen: Eine Absage

Monika Bütler

In den letzten Monaten habe ich dermassen viele Anfragen für eine Teilnahme an einer Diskussion zum BGE erhalten, dass ich mich entschlossen habe, meine Antwort aufzuschreiben. Spätere Anfrager erhalten einfach den Link.

Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr 

Herzlichen Dank für Ihre Einladung, im Rahmen der Veranstaltungsreihe V (Geld; neue Gesellschaftsmodelle; Neuordnung der sozialen Sicherung; …) mit Herrn H (Enno Schmidt; Daniel Häni; Oswald Sigg; …) über das bedingungslose Grundeinkommen BGE zu diskutieren.

Ich muss Ihnen aus drei Gründen absagen.

  1. Ich fühle mich nicht kompetent genug, auf der philosophischen Ebene über das BGE zu diskutieren. (Ich habe ausser zwei, drei Tweets ohnehin noch nie über das BGE geschrieben). Oft wird schon in den Ankündigungen zu Veranstaltungen zum BGE auf die Notwendigkeit eines neuen – natürlich viel besseren Menschenbilds – hingewiesen. Abgesehen davon, dass mir die Idee eines anderen Menschenbilds historisch vorbelastet scheint, stellt sich für mich auch ganz naiv die Frage,  wie ein solches herbeigeredet werden kann. Ich fühle mich allerdings nicht nur nicht kompetent genug, ich habe auch keine grosse Lust, im Abstrakten zu diskutieren. Ohne konkrete Vorschläge wer was wie finanzieren soll, kann man als Gegnerin des BGE nur verlieren. Auch wenn ich in der Zwischenzeit damit leben kann, als unsozial und neoliberal beschimpft zu werden, freiwillig tu ich mir das nicht an.
    (In Klammern: Auf einer philosophischen Ebene kann man auch aus liberaler Sicht für ein BGE eintreten. Easy. Man braucht ja nicht zu sagen, dass man darunter 1200 Franken pro Monat als Grundeinkommen, sowie den Ersatz und aller Sozialversicherungsleistungen versteht. Ich halte diese Attitüde für etwas frivol).
    Sie können eher wieder mit mir rechnen, wenn es weniger um die abstrakte Idee geht, sondern um die politische Diskussion und finanzpolitische Umsetzung.
  2. Meine Woche hat nur 7 Abende, meine Söhne gehen noch zur Schule. Abends arbeite ich nur ausser Haus, wenn ich muss (was immer noch häufig genug ist) oder ich meine Abwesenheit den Kindern (Einschub neu: und meinem Mann) erklären kann. Das kann ich in diesem Fall nicht.  Denn gerade die Verfechter des BGE preisen ihr Modell vollmundig an als Möglichkeit, mehr Zeit für die Familie zu haben. So werden Sie und vor allem meine potentiellen Gegenspieler dafür Verständnis haben müssen,  dass ich die Idee „mehr Zeit mit der Familie“ lieber direkt und privat finanziert umsetze.
  3. Ich mag es nicht,  vor allem als Frau eingeladen zu werden. Es gibt genügend männliche Kollegen, die viel kompetenter als ich über das BGE diskutieren können.  Es ist ja nicht mein Fehler, dass die meisten Initianten männlich sind. Vielleicht allerdings auch kein Zufall (siehe unten).

Sie fragen mich nach Alternativen (eine Frau). Meinen jungen Kolleginnen aus der Ökonomie kann ich nur abraten, sie können nur verlieren. Vielleicht kann ich ihnen dennoch etwas weiterhelfen. Es gibt nämlich zwei Aspekte des BGE, die in der aktuellen Diskussion oft vergessen gehen. Vielleicht finden sie in diesen Kreisen interessante Diskussionsteilnehmer(innen).

  • Wir haben in der Schweiz bereits ein Grundeinkommen, es ist einfach nicht bedingungslos. Doch solange selbst renitente und nicht kooperative Sozialhilfeempfänger Leistungen nahe der heute oft genannten Höhe des BGE erhalten, ist die Bedingungslosigkeit so weit nicht weg. AHV und IV Rentner und Rentnerinnen haben – für mich unbestritten – ein Anrecht auf ein Einkommen, welches um einiges höher liegt als alles, was als BGE finanzierbar wäre. Fragen sie doch jemanden aus dem Bundesamt für Sozialversicherungen oder aus den AHV/IV Stellen (besser noch: eine betroffene Person) wie sinnvoll eine Abschaffung dieser bedingten Leistungen wäre. Wenn ein grosser Teil der Sozialleistungen auch unter einem BGE bedingt ausbezahlt wird, entfällt ein wichtiger Vorteil des BGE.
  • Das BGE wird uns oft als Lösung des Problems der unbezahlten Betreuungsarbeit verkauft. Auf den zweiten Blick scheint mir dies nicht mehr so offensichtlich. Es geht dabei ja nicht primär um die Entschädigung der Betreuungsarbeit, sondern vor allem darum, wer sie macht. Mit einem BGE können wir uns weiter um diese Frage drücken – unter dem Vorwand die Arbeit werde ja entschädigt (was natürlich so überhaupt nicht stimmt, denn das Grundeinkommen erhält man bedingungslos). Wer die Betreuungsarbeit leistet, bleibt ein Machtspiel. Am Schluss werden sich wohl, faute de mieux, meist Frauen in die Betreuungsarbeit schicken, obwohl auch sie mit dem BGE „grösseres“ vorhatten. Wer soll denn die vielen pflegebedürftigen Senior(inn)en der Zukunft betreuen?  Die jungen gesunden und kreativen Männer,  die so vehement hinter der Idee des BGE stehen, werden es bestimmt nicht sein.
    Mein Tipp: Suchen Sie sich für das Panel eine interessante Feministin, die sich schon entsprechend geäussert hat. Sie haben damit erst noch das Problem Frau gelöst.

 So wünsche ich Ihnen einen spannenden Abend und grüsse Sie freundlich

 Monika Bütler

10 thoughts on “Bedingungsloses Grundeinkommen: Eine Absage

  1. Da ich gegenüber meiner Gattin und meinen 4 Kindern unterhaltspflichtig bin, empfinde ich das bedingungslose Grundeinkommen genial. Mit Arbeit lässt sich ein bedingungsloses Grundeinkommen für 6 schwer übertreffen. Meinen Wohnsitz würde ich aus dem teuren Kanton Zürich in eine landschaftlich reizvolle Gegend verlegen. Je nach Höhe desselben würde ich im EU Ausland lebenden Bekannten und Verwandten empfehlen in die Schweiz umzuziehen.

    Ich hatte ein paar Jahre im Mittleren Osten gelebt und dort in einigen Ländern ein quasi bedingungsloses Grundeinkommen für die eigenen Staatsbürger erlebt.
    Die Einheimischen kommen selten vor 09:00 zur Arbeit, unterhalten sich, telefonieren mit der Verwandschaft und verweilen dort meist nicht allzu lange. Deshalb hält man sich in diesen Ländern Arbeitssklaven mit sehr begrenzten Rechten die all die unangenehmen und anstrengenden Arbeiten erledigen.

    Die Länder die ein bedingungsloses Grundeinkommen haben, verfügen in der Regel über sehr erhebliche Oelvorkommen.

    Vielleicht sollte man erst die notwendigen Oelvorkommen suchen bevor man von bedingungslosen Grundeinkommen träumt.

    Holger Narrog

  2. Wir Menschen sind das Abbild seiner Umwelt. Mit anderen Worten: Das Gehirn wird durch die äußere Wahrnehmung strukturiert. Das ist heute bestens untersucht und publiziert. Unsere heutige Gesellschaft hat sich durch einen Prozess herausgebildet. Und man weiß ja heute von untergegangenen Zivilisationen, dass es immer auch Fehlentwicklungen gegeben hat. Ich denke, dass unsere Gesellschaft nicht das Maß aller Dinge sein kann. Die Idee, dass ein Grundeinkommen das Potential hat, die Gehirne neu zu strukturieren ist sehr plausibel. Andererseits können wir auch sehenden Auges so weiter machen und sicher untergehen.

  3. Ich glaube das bedingungslose Grundeinkommen stimuliert und strukturiert in erster Linie unser Belohnungssystem. Drum haperts auch einwenig mit der bemühenden Frage der Finanzierung. Das stimuliert anscheinend überhaupt nicht. Obwohl – auch nachgewiesen – das Hirn dann stark umstrukturiert, wenn es auch effektiv gebraucht wird.

  4. Bei allem Respekt, Frau Bütler, aber das ist nun doch ein ziemlich wirrer Blogpost geworden, auf den man gar nicht präzise antworten kann, weil die konkreten Aussagen fehlen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, fehlt Ihnen vor allem ein Finanzierungskonzept bei der Idee BGE. Da haben sie aus neoliberaler Sicht natürlich recht – für die BGE-Befürworter ist das allerdings das kleinste Problem. Denn die Lösung lautet ganz einfach: Mehr Steuern holen dort, wo sie zu holen sind. Es gibt nach wie vor einige Menschen mit Milliardenvermögen und hohen steuerbaren Einkommen. Und Unternehmen mit Milliardengewinnen, erwirtschaftet auch in der Schweiz und doch kaum versteuert hier. Immer weniger Menschen besitzen einen immer grösseren Anteil am Weltvermögen. BGE-Befürworter sehen eine stärkere Besteuerung der Superreichen auch steuerlich als sozial gerecht. Dass in Realität Geld leider unglaublich mobil ist und problemlos in eine Steueroase ohne BGE verschoben werden kann, gestehen die BGE-Befürworter nicht ein. Man geht von einer global orchestrierten, gleichzeitigen Einführung der BGE ein. Als Superreicher kann man seine Milliarden dann höchstens noch auf den Mond schiessen. Oder die höheren Steuern halt bezahlen.

  5. Übrigens:
    „AHV und IV Rentner und Rentnerinnen haben – für mich unbestritten – ein Anrecht auf ein Einkommen, welches um einiges höher liegt als alles, was als BGE finanzierbar wäre.“
    Eine sehr komische Ansicht, die sie da vertreten, gerade als Neoliberale. Denn zumindest das Modell AHV ist genauso mangelhaft und undurchdacht wie das BGE. Denn man bekommt Geld, auch wenn man selbst kaum was einbezahlt hat. Das ist unlogisch, denn eine Versicherung macht nur Sinn für ein Ereignis, das mit grosser Sicherheit bei den meisten Menschen nicht eintritt, z.B. eine Invalidität. Älter als 65 wird heutzutage hingegen die grosse Mehrheit der Menschen, eine Versicherung macht null Sinn. Das Umschichtungsprinzip bei der AHV ist zudem ein „Ponzi Scheme“, das bei demografischen Veränderungen völlig aus dem Gleichgewicht kippt: Leute werden immer älter, die Pyramide steht bald kopf.

    Und da Sie von Ihren Söhnen sprechen: Eine Mutterschaftsversicherung ist natürlich ebenso ein Unsinn. Die meisten Frauen werden nun mal im Laufe ihrer Leben Mütter (Männer: Väter) und in der Regel ist eine Mutterschaft geplant, nicht ein ungeplantes Ereignis, das einer Versicherung bedürfte.

    Sowohl die Altersrente als auch die Mutterschaft müsste man also ausschliesslich im Kapitalbildungsverfahren finanzieren, nicht als Sozialversicherung.
    Insofern finde ich Ihre Kritik der ungeklärten Finanzierung eines BGE etwas heuchlerisch – denn viele aktuelle Sozialeinrichtungen sind genau so wenig nachhaltig finanziert.

  6. @marc r: Mein Beitrag ist gar keine Diskussion sondern eine begründete Absage weshalb ich auch die x.te Einladung zu einem Anlass über das BGE ausschlage. Kommentare sind gar nicht nötig. Zur Finanzierung des BGE hat mein Kollege Gebhard Kirchgässner in diesem Forum geschrieben. Zu allen weiteren Punkten, die sie ansprechen, finden sie weitere Artikel im Blog. Ich habe mich noch nie gegen das Umlageverfahren ausgesprochen.
    Ach ja, was ist denn für sie neoliberal? I

  7. “ Wer die Betreuungsarbeit leistet, bleibt ein Machtspiel. “ – Wieso ? Mit einem Grundeinkommen kann keiner mehr zur Arbeit gezwungen werden. Richtig wäre: „Wie hoch die Betreungsarbeit vergütet wird, bleibt ein Machtspiel“. Also keinesfalls schlechter als heute, bleibt eben so. Der Zwang aber fällt weg.

  8. Ganz richtig!

    Zeigen Sie der BGE-Lobby wo der Bartel den Most holt. Diese Idioten habe ich schon lange auf dem Kicker, Häni, Schmidt, Kovce und der ganze Rest.

    Sie sind eine sehr gute Frau, dass sie dem BGE den Meister zeigen!

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