Die Trisomie-21-Test-Debatte in Zahlen

Von Monika Bütler

Der neue pränatale Trisomie-21-Test bewegt die Gemüter. Viele fürchten sich davor, dass die Akzeptanz für behinderte Kinder noch weiter sinken könnte und/oder dass die IV (oder die Gesellschaft) die werdenden Eltern unter Druck setzen würde (Siehe dazu auch den hervorragenden Kommentar von Markus Hofmann in der NZZ).

Hier ein paar nüchterne Zahlen zur Abkühlung: Geburtsgebrechen machen nur rund 5% der jährlichen Neuzugänge zur IV aus. Da Menschen mit Geburtsgebrechen länger in der IV verbleiben, ist ihr Anteil am gesamten Bestand höher; er liegt bei knapp 12%. Davon wiederum dürfte nur ein relativ geringer Teil auf Behinderungen fallen, die mit pränatalen Tests überhaupt entdeckt werden können (genaue Zahlen kenne ich nicht). Zum Vergleich: Psychische Krankheiten machen sowohl bei den jährlichen Neuzugängen zur IV wie auch am gesamten Bestand über 40% aus (2011: 44% bei den Neuzugängen, 43% beim Bestand).

Trisonomie-21 und andere Geburtsgebrechen machen somit einen sehr sehr kleinen Teil der Behinderten in der Schweiz aus. Wenn die IV sparen will, so eignen sich Geburtsgebrechen dafür sicher nicht. Die IV scheint dies auch nicht zu wollen: Tatsächlich sind zwischen 2003 und 2011 die Neuzugänge zur IV bei den Psychischen Krankheiten um fast 40%, bei den Knochen- und Bewegungsorganen gar um rund 65% gesunken. Die Neuzugänge bei den Geburtsgebrechen blieben hingegen konstant (bei etwa 800-900 Personen pro Jahr).

Es ist unbestritten, dass es behinderte Menschen und ihre Eltern nicht leicht haben. Ein Gentest (welcher ja nur die heute viel gefährlicheren invasiven Tests ersetzt) kann dafür nicht verantwortlich gemacht werden. Auf jeden Fall ist ein Verbot für solche Tests der falsche Weg (wie ich in meiner NZZaS Kolumne vom 20. Mai dargelegt habe).

2 thoughts on “Die Trisomie-21-Test-Debatte in Zahlen

  1. Da schon vorher auf Trisomie 21 getestet werden konnte, mussten sich Eltern, die sich für ein behindertes Kind entschieden haben, auch schon vor dem neuen Test zunehmend den Vorwurf gefallen lassen, dass „so etwas doch vermeidbar wäre“. Von daher sind gewisse Bedenken, nicht über den Test an sich, aber über die weiteren Auswirkungen, schon berechtigt. Und die Invalidenversicherung spart durchaus auch auf Kosten von Menschen mit einer geistigen Behinderung, und zwar nach dem Motto: Wer nach einer beruflichen Ausbildung nicht ein gewissens Einkommen erwirtschaften kann, ist es nicht „wert“ eine ebensolche Ausbildung auch zu bekommen: http://www.insieme.ch/politisches-engagement/berufliche-integration/petition-berufsbildung/

    Dass immer mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen die Invalidenversicherung „belasten“ führt dann vielleicht bald einmal zur selben Frage: Wäre das nicht auch schon früher „vermeidbar“? Da man weiss, dass 1/3 der Kinder von psychisch kranken Eltern später selbst schwer psychisch erkranken (ein weiteres Drittel hat leichte psychische Probleme, ein Drittel bleibt gesund) ergibt dich daraus dann vielleicht auch einmal der Vorwurf (oder die Forderung), solche Eltern dürften keine Kinder bekommen. So weit hergeholt ist das nicht.
    Bei der Diskussion um die Reduktion der Kinderrenten der IV jedenfalls ist da und dort (nicht öffentlich natürlich) auch machmal der Vorwurf zu hören; warum Behinderte eigentlich überhaupt Kinder bekommen „müssten“. Abgesehen davon, dass eine Behinderung/Krankheit oft auch erst später im Leben (also wenn die Kinder schon da sind) eintritt, zeigen solche (und viele andere) Reaktionen halt schon in eine gewisse Richtung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert