batz.ch ungefragt in den Schaffhauser Nachrichten

Monika Bütler

„Vielen herzlichen Dank für Ihren Beitrag in der gestrigen Ausgabe der Schaffhauser Nachrichten“, schrieb mir eine Leserin der Schaffhauser Nachrichten vor rund 10 Tagen. Drei weitere ähnliche emails folgten. Dumm war nur, dass ich mich nicht an einen solchen Beitrag in den Schaffhauser Nachrichten (nach eigenen Angaben: Schaffhauser Intelligenzblatt) erinnern konnte. So vergesslich bin ich doch gar nicht.

Des Rätsels Lösung: In der Ausgabe vom 26. Januar 2012 druckten die Schaffhauser Nachrichten – ohne mein Wissen, geschweige denn Einverständnis – einen Beitrag ab, der im Juni 2011 im www.batz.ch erschienen ist.

Es wäre so einfach gewesen, zu fragen. Und vor allem anständig. Doch die Schaffhauser Nachrichten informierte mich auch später nicht. Auf ein Belegexemplar warte ich noch heute. Ich musste mir den Text via Argus und über das kostenpflichtige (!) Archiv der Schaffhauser Nachrichten selber besorgen. Wären die Leser nicht gewesen – ich wüsste noch heute nichts davon.

Die Zeitung publizierte den Beitrag unter meinem Namen („von Monika Bütler“) und der üblichen Bezeichnung („Monika Bütler ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen“). Also genau so, wie es für eingeladene Texte üblich ist. Den Lesern wurde suggeriert, ich hätte den Aufsatz explizit für die Schaffhauser Nachrichten verfasst – was diese auch so verstanden. Mein Beitrag wurde zudem innerhalb einer Pro- und Contra Debatte zur Initiative des HEV verwendet. (Ob Hans Egloff – mein fiktives Gegenüber – wohl etwas davon wusste?). Unter diesen Bedingungen ist es auch klar, dass die Zeitung den batz.ch als Quelle nicht nennt.

Die von den Schaffhauser Nachrichten publizierte Version unterscheidet sich von meinem ursprünglichen Text im Titel (Keinerlei ökonomische Vernunft) und dem ersten Satz, der dem Beitrag eine andere Stossrichtung und Tonalität gab. Im ursprünglichen Text drückte ich mein Unverständnis für die Unterstützung des Bausparens durch die zwei Kammern des Parlaments aus und nicht ein Unverständnis für die Initiativen. Selbstverständlich finde ich die Initiativen nicht toll, aber in einer Demokratie dürfen auch Partikularinteressen vertreten werden. Hingegen erwarte ich vom Parlament, dass sie das Gesamtwohl des Landes im Auge behalten.
Erster Satz des batz-Beitrags: Das Bausparen soll nach dem Willen der beiden Kammern subventioniert werden.
Erster Satz des Beitrags auf ShN: Das Bausparen soll mit der Initiative subventioniert werden.

Die Schaffhauser Nachrichten hat sich dann zwar die Mühe gemacht, Tippfehler und die in ihren Augen – nicht meinen! – ungerechtfertigten Anführungszeichen bei vernünftig zu eliminieren. Den nun nicht mehr passenden Schluss hat sie belassen. Der letzte Satz, „Offenbar ist diese Gruppe im Parlament besonders gut vertreten“, steht nun ganz alleine und verlassen da.

Mein ursprünglicher batz.ch-Artikel ist – wie alle anderen Beiträge in diesem Blog – ein Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetztes URG. Dessen Abdruck (a) nicht autorisiert, (b) mit substantiellen Änderungen am Text (insbesondere auch Titel und erster Satz, wodurch sowohl die Stossrichtung wie auch die Tonalität ändern), sowie (c) in einem anderen Zusammenhang verletzen Art. 25 und 11 URG. In der Schweiz ist ein Werk urheberrechtlich geschützt sobald es geschaffen wurde. Es braucht dazu keinen expliziten Hinweis auf ein Copyright.

Doch viel ärgerlicher ist etwas anderes: Der Chefredaktor der Schaffhauser Nachrichten, Norbert Neininger, will nichts von einer Verletzung meiner Rechte wissen. Gleichzeitig verteidigt er das Urheberrecht entschieden: Im Internet dürfe man nicht Inhalte aus der Zeitung übernehmen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass dies in der Gegenrichtung nicht gelten soll.

Den zweiten Abschnitt des Aufsatzes von Norbert Neininger (NZZ, 17. August 2010:“Verlage haben Anrecht auf besseren Schutz“)  möchte ich unseren Lesern nicht vorenthalten:

„Programme, Texte, Bilder, Musikstücke, Filme — all das stand plötzlich weltweit zur Verfügung, und es kostete nichts. Und während jeder Turnverein, der seinen Unterhaltungsabend mit Musik untermalte, Urheberrechtsgebühren entrichten musste, gewöhnten sich die (jungen) Menschen daran, dass weder Recht noch Ordnung im Netz gelten. Das Aussergewöhnliche hielten alle für selbstverständlich, und wer darauf hinwies, galt als Ewiggestriger.“

 

20 thoughts on “batz.ch ungefragt in den Schaffhauser Nachrichten

  1. Da gibts nur eins: Honorarrechnung an die Schaffhausner Zeitung schicken, berechnet wie wenn der Auftrag, einen Artikel zu schreiben, dagewesen wäre.
    .. Ist ja eine Frechheit.

  2. Doch viel ärgerlicher ist etwas anderes: Der Chefredaktor der Schaffhauser Nachrichten, Norbert Neininger, will nichts von einer Verletzung meiner Rechte wissen.

    Gibt es dazu eine zitierfähige Quelle?

    In jedem Fall sollten Sie – wie von Solean vorgeschlagen – eine Honorarrechnung mit Verletzerzuschlag an die Schaffhauser Nachrichten senden.

  3. Was soll man dazu sagen!? Off Topic: Der erste Link im Text – der zum ursprünglichen Beitrag, hat eine Klammer hinter der URL und ergibt bei Klick einen 404 Error.

  4. Auch ich bin dafür eine Honorarforderung via Anwalt zu schicken. Ich habe es bereits persönlich erlebt das Texte o.Layouts von mir einfach übernommen und verformt wurden..Zwar nicht von der Presse, sondern innerhalb der Privatwirtschaft aber es ist genauso ärgerlich. Auf Anraten einen befreundeten Juristen versand ich Honorarforderungen und siehe da, ich konnte damit dem ganzem tatsächlich Einhalt gebieten. Vielleicht bieten Sie an auf ein Honorar zu verzichten, vorausgesetzt die Zeitung druckt den von Ihnen Artikel nochmal und dieses mal Ihre Version..

  5. Pingback: Weblinks #21 | Rechtsanwalt Martin Steiger

  6. Dies nicht nicht der erste Fall einer nichtautorisierten Zweitveröffentlichung eines Beitrags aus dem batz.ch, aber es ist der erste Fall in einer etablierten Zeitung. Bisherige Fälle betrafen Zeitschriften von Verbänden oder von anderen privatwirtschaflichen Organisationen. Darauf angesprochen reagierten alle Betroffenen mit Verständnis und einer Entschuldigung (plus einem bescheidenen Honorar für die Institutskasse). Bis auf die Schaffhauser Nachrichten. Es dürfte wohl auch eine gewisse Dunkelziffer nicht-autorisierter Nachdrucke geben. Wir stossen ja meistens nur aus Zufall darauf.

  7. Guten Morgen,
    ich komme gerade vom BILDblog aus rüber.
    Es ist ganz normal, dass die alten Medien aus dem Internet stehlen. Ich betreibe seit 11 Jahre ein Nachrichtenportal über Georgien. Eine Mitteldeutsche Zeitung hat, als im Jahr 2008 Krieg war, einen Artikel von mir zu 100% kopiert. Natürlich ohne Nennung meines Namens und ohne Nennung der Quelle. So ist das nun mal mit den Medien aus dem Mittelalter.

  8. Habe Link zu diesem Beitrag ans Bildblog geschickt – erfolgreich. Heute veröffentlichung im 6vor9.

    Je nachdem könnte man sich den Gang zum Rechtsanwalt überlegen.. Wobei das wohl wieder zuviel Aufwand wäre.
    Im Twitter kursiert der Artikel übrigens auch.

  9. Ich blogge seit 2004 und habe die ganze Aufregung und Entrüstung etablierter Journalisten über die „Szene“ mitgemacht, wie auch den ewigen Vorwurf, Blogger würden keinen Mehrwert schaffen, immer wieder zur Kenntnis genommen.
    Dass umgekehrt Zeitungen online nach wie vor keine Veranlassung sehen, Quellen mit Link zu zitieren ist schon ärgerlich. Das hier ist einfach nur dreist und unglaublich.

    Mein Frust über solches Gebahren ist mitterweile riesig.

  10. Ehrlich, beinhart verrechnen sowas. Wenn nötig Anwaltskosten gleich mit verrechnen.
    Während es auf der einen Seite dauernd heisst „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“ führen sich einige Zeitungen gerade so auf als wäre es ein Selbstbedienungsladen sondergleichen. Da wird von Facebook mal eben das Portrait genommen, von der privaten Website die Details und schon formt sich schön ein „Quelle: Internet“ zusammen. Urheberrecht und Persönlichkeitsrecht zählt eben nichts wenns um die Auflage und um das durchsetzen des ach „so dringend benötigten „Leistungsschutzrecht“..

  11. Pingback: » Ach ja, die Vertreter der Contentindustrie haben … Nachtwächter-Blah

  12. Verlangen Sie nebst Honorar mit Verletzungszuschlag eine Richtigstellung in den «Schaffhauser Nachrichten». Ansonsten ein Fall für den Presserat.

  13. Pingback: Verschärftes Urheberrecht: Forderungen aus dem Glashaus | Rechtsanwalt Martin Steiger

  14. Mir ist das gerade erst über den Bildschirm gehoppelt. Hat sich inzwischen noch weiteres ergeben? Sind die Schaffhauser Nachrichten doch noch aufgewacht?

  15. Pingback: Relevante Geschichten aus Schweizer Blogs | Warum alles auch ganz anders sein könnte.

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