Wieder einmal Arbeitsproduktivität

Eine slowenische Journalistin will wissen, weshalb die Arbeitsproduktivität in der Schweiz im europäischen Vergleich nur mittelmässig ist (was auch die OECD immer wieder anprangert) und fragt mich, was ich dazu meine. Immerhin hat sie meine NZZaS Kolumne zum Thema schon gelesen.

Es schadet ohnehin nicht, das Thema Arbeitsproduktivität (= der pro Arbeitsstunde produzierte Wert von Gütern und Dienstleistungen) wieder einmal aufzunehmen. Zur Illustration vergleiche ich zwei hypothetische Länder, welche sich in der Ausbildung und Produktivität der Menschen sowie dem Technologieniveau weder im Durchschnitt noch in der Verteilung unterscheiden.   

Es gibt mindenstens 3 Gründe weshalb sich die „Arbeitsproduktivität“ zweier sonst gleicher Länder unterscheiden kann:

1) Integration weniger produktiver Individuen in den Arbeitsmarkt: Länder, die auch ihre weniger produktiven Bürger im Arbeitsmarkt behalten (statt sie mit Transfers abzuspeisen), haben automatisch eine tiefere Arbeitsproduktivität. Für die arbeitende Durchschnittsbürgerin im „unproduktiveren“ Land heisst dies aber letztlich ein höheres verfügbares Einkommen, weil sie über ihre Steuern weniger Transfers zu berappen hat.

2) Unterschiedlich lange Arbeitszeiten: Geht man davon aus, dass die Arbeitnehmer eine abnehmende Grenzproduktiviät haben (ausgedeutscht: Ihre Produktivität ist in den ersten paar Stunden eines Arbeitstages höher als am Ende des Tages), so hat das Land mit der längeren durchschnittlichen Arbeitszeit automatisch eine tiefere Arbeitsproduktivität. In welchem der beiden Länder es den Bürgern besser geht, ist eine offene Frage: Ökonomisch gesprochen gibt es einen Zielkonflikt (Trade-off) zwischen verfügbarem Einkommen (höher im „weniger produktiven“ Land) und Freitzeit (höher im Land mit der höheren Arbeitsproduktivität).

3) Einsatz der produktiven Arbeitskräfte: Die gut ausgebildeten Bürger schaden der Arbeitsproduktivität, wenn sie nicht eingesetzt werden. Wichtige Gruppen sind die Frauen und die älteren Arbeitnehmer. So drängt die Schweiz (aber auch Deutschland) durch ihr Steuer- und Transfersystem viele gut ausgebildete Frauen aus dem Arbeitsmarkt. Statt allerdings die tiefe Arbeitsproduktivität zu bemängeln, wäre es sinnvoller, dieses Problem direkt anzugehen. Immerhin macht dies die OECD auch.

Daneben natürlich spielen andere Faktoren – die Wettbewerbsfähigkeit des Binnensektors, die relative Grösse der verschiedenen Sektoren und so weiter – abenfalls eine Rolle.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert