Die Mär vom armen Süden

Monika Bütler

Viele Ökonomen wussten es schon lange, erste Daten sickerten vor einigen Wochen auch an die Öffentlichkeit durch (batz war dabei): Die von der EZB (resp. dem Eurosystem Household Finance and Consumption Network) in langjähriger und wissenschaftlich höchst seriös durchgeführter Arbeit zusammengetragenen Haushaltdaten der EU Länder bieten einiges an Sprengstoff. So sind deutsche Haushalte sowohl im Durchschnitt als auch im Median weniger vermögend als die Haushalte südlicher Länder, insbesondere Italien und Spanien.

Vorgestern nur veröffentlichte die EZB endlich die ausführlichen Statistiken sowie wichtige Hintergrundinformationen (insbesondere Methodik). Doch viele Schweizer Zeitungen scheinen die Informationen irgendwie verstecken zu wollen (im Tagi verschwand der Beitrag in kürzester Zeit von der Frontpage). Die Zahlen wollen so gar nicht passen zum Bild der armen Südstaaten, die von den knausrigen Deutschen kurz gehalten werden. So werden denn auch zig Gründe angeführt, weshalb man den Statistiken nicht trauen darf. Die Haushalte seien unterschiedlich gross (wobei wohl ein Zyprischer Haushalt im Schnitt nicht 5 mal grösser ist als ein Deutscher), der Hausbesitz verzerre die Statistiken und so weiter.

Wer allerdings die mehr als 100 Seiten des Berichts durchblättert sieht, dass trotz aller Bedenken über die Güte der Daten und die Bewertung der Vermögen klar ist: Man kann es drehen und wenden wie man will, die südlichen Haushalte sind nicht ärmer als die nördlichen. Zwei Beispiele zur Illustration:

1) Vermögen der Haushalte ohne eigenen Hausbesitz:
Die unterschiedliche Bewertung von Immobilien wird häufig als Grund für die „Verzerrung“ der Statistiken angesehen. Der Bericht enthält glücklicherweise auch Informationen über die Vermögenssituation von Haushalten ohne Haus, Hier also einige Zahlen: Deutschland: 47’700 Euro, Spanien 68’900 Euro, Griechenland 36’600 Euro, Zypern 150’400 Euro, auf dem ersten Platz noch vor Luxemburg mit 129’900 Euro. Die Mediane sind deutlich tiefer für alle Länder, das Bild bleibt ähnlich. Interessant sind auch die Verschuldungsraten der Haushalte. In Deutschland sind rund 40% der Haushalte ohne Haus verschuldet (das können also keine Hypothekarschulden sein!), in Griechenland rund 30%

2) Ausgaben für Nahrungsmittel pro Jahr (innerhalb und ausserhalb des Hauses):
Da die Angaben der Haushalte zu Vermögen und Einkommen nicht immer vertrauenswürdig sind, bieten sich die Ausgaben für Nahrungsmittel als zwar grober, dafür vertrauenswürdigerer Indikator für die Kaufkraft eines Haushalts an: Hier also einige Zahlen: Deutschland: 5400 Euro/Jahr, Spanien und Italien: 6000 Euro/Jahr, Griechenland 6200 Euro/Jahr, Zypern 8400 Euro/Jahr, auf dem zweiten Platz hinter Luxemburg. Interessant ist hier der Vergleich zwischen Belgien und den Niederlanden mit der Bestätigung eines alten Vorurteils: Die schlemmenden Belgier geben pro Jahr mit 7200 Euro 40% mehr für Nahrungsmittel aus als die sparsamen Niederländer mit 5100 Euro.

Ich kann den Lesern und Leserinnen dieses Blogs nur eines empfehlen: Schauen Sie Sich die sehr interessanten Statistiken an und machen Sie Sich selber ein Bild.

5 thoughts on “Die Mär vom armen Süden

  1. Vielen Dank für die aufschlussreichen Zahlen! Besonders bemerkenswert sind ja die Ergebnisse auch, wenn man die Preisunterschiede (http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/2-22062012-AP/DE/2-22062012-AP-DE.PDF) bedenkt. Deutschland hat im Schnitt ein höheres Preisniveau als die südlichen Ländern. Also müssten ja insgesamt die Unterschiede bei der Kaufkraft sogar noch grösser sein als nur beim Vermögen? Oder habe ich etwas Übersehen?

  2. Der Durchschnitt sagt wenig. Wie ist die Verteilung? Man kommt auch auf einen hohen Durchschnitt, wenn relativ wenige Haushalte sehr hohe Vermögen besitzen und viele ein sehr Kleines.

  3. @tanja: die Preisunterschiede zwischen den Ländern sind kleiner als man denken würde. Soweit ich weiss wurde dafür kontrolliert.
    @rolf felix: Der Bericht enthält Angaben über die Verteilung. Siehe links im Text. Das Bild bleibt dasselbe. Falls überhaupt sehen die deutschen mit dem Median (beidem Ausreisser keine Rolle spielen) noch ärmer aus.

  4. Nahrungsmittelausgaben sind meiner Meinung nach ein ungenuegender Indikator; je nach Land gibt es sehr unterschiedliche Muster bei Konsumausgaben fuer Nahrungsmittel bzw fuer Restaurants. In manchen Laendern Isst man deutlich mehr ausser Haus / kauft dann weniger Nahrungsmittel ein.. Soviel zur Statistik – ob das an der hier getroffenen Aussage etwas aendern sollte, weiss ich spontan aber auch nicht 😉

  5. In Spanien, und wohl auch Italien, ist es Brauch, dass erwachsene Kinder bei den Eltern wohnen, bis sie heiraten.

    Vergleiche von Familien, in denen 3 bis 4 einer Arbeit nachgehen, mit Familien wo nicht einmal 2 einer Arbeit nachgehen, dürfen nicht als paritätisch betrachtet werden, weisen aber allenfalls auf kulturell unterschiedliche Familienverständnisse.

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